Makiolla: „30 zusätzliche Polizisten würden uns helfen“ – Interview zur Sicherheit
Geschrieben von Redaktion Rundblick-Unna.de am in Blaulicht, Polizei
Ein Gespräch mit Landrat Michael Makiolla, Chef der Kreispolizeibehörde Unna, und Thomas Röwekamp, Leiter der Polizeipressestelle
Herr Makiolla, ist Unna sicher?
Makiolla: Pauschal mit Ja oder Nein zu beantworten ist diese Frage nicht. Wenn man sich die Fallzahlen der letzten Jahre ansieht: Es gibt ein Auf und Ab, aber große Unterschiede zwischen den Delikten. Die Anzahl der Gewalt- und der Sexualdelikte ist in den vergangenen Jahren gesunken. Die Wohnungseinbrüche sind zwar im Vergleich zum Vorjahr kreisweit weniger geworden, wir sind aber überhaupt nicht zufrieden mit den Zahlen. Die Eindämmung hat für uns oberste Priorität. Allgemeine Verkehrskontrollen dienen beispielsweise oft dazu, solche Täter aufzuspüren. Ab 2013 war ein Aufwärtstrend zu erkennen, also mehr Einbrüche. Die Ursache: Die Täter sind immer öfter überregional tätige Gruppen. In Unna sind wir verkehrstechnisch gut erreichbar…
… man kommt über die Autobahnen schnell hin und genauso schnell wieder weg.
Makiolla: Genau, deswegen sind insbesondere autobahnnahe Stadtteile wie z. B. Schwerte-Ergste oder Unna-Königsborn besonders betroffen.
Röwekamp: Dazu noch eine Bemerkung – ein wenig als Beruhigung: Der Großteil der Einbrecher ist nicht auf Konfikte aus. Werden sie erwischt, hauen sie meist schnell ab, selbst wenn sie ein Messer dabei haben.
Was kann ich selbst tun zur Vorsorge?
Röwekamp: Unser Kriminalkommissariat Kriminalprävention/ Opferschutz in Kamen bietet sich als erste Anlaufstelle an. Interessierte Bürger können hier telefonisch Termine für persönliche Beratungen abstimmen – die Termine werden sehr gut angenommen. (Anm. der Redaktion: Das Kommissariat in Kamen erreichen sie unter 02307/ 921 4400 oder kriminalpraevention.unna@polizei.nrw.de)
Makiolla: Hinzu kommt die Sicherung des Eigenheims durch technische Mittel. 45 Prozent der 1039 Einbruchsdelikte 2016 scheiterten an Einbruchssicherungen.
Was tue ich im akuten Fall?
Makiolla: Nicht den Helden spielen! Auch nicht laut rufen oder den Einbrecher ansprechen, das verjagt ihn. Die 110 wählen. Wichtig: Immer den Notruf, nicht die Nummer der örtlichen Polizeiwache, auch wenn einem als Nachbar etwas akut verdächtig vorkommt! Stichwort Nachbarschaftswache – diese kann oft noch schneller helfen als technische Hilfsmittel. Dass die Bürger wachsamerer werden, zeigt in der Statistik auch der Anstieg bei Aufklärungen „auf frischer Tat ertappt“.
Immer wieder hitzig diskutiert: Hat die Polizei genügend Polizei?
Röwekamp: Die Beamten werden in NRW nach Schlüssel verteilt, wir können uns das leider nicht so aussuchen, wie wir wollen. Die großen Schwerpunktbehörden werden durch Einsätze bei Fußball, Demos usw. natürlich sehr belastet und daher mehr mit neuem Personal bedient. Wir hoffen im September mehr Unterstützung zu bekommen.
Makiolla: 30 zusätzliche Kolleginnen und Kollegen würden uns helfen. Aktuell sind es in der KPB Unna 480. Die Klage über zu wenig Polizei ist schon berechtigt. Vorherige Landesregierungen haben zu wenige neu eingestellt. Viele Beamte gehen in den Ruhestand. Hier klafft eine demografische Lücke. 2000 Beamte werden pro Jahr in NRW neu eingestellt, ausgebildet und kommen erst nach 4 bis 5 Jahren zu den Kreispolizeibehörden.
Hat der ländliche Raum das Nachsehen?
Makiolla: Ein Großteil der Polizisten wird dort eingesetzt, wo die höchste Kriminalität auftritt – im Fünf-Jahres-Schnitt berechnet. Eine Großstadt hat hier in der Tat statistische Vorteile. Wegen der Terrorgefahr wurden Schwerpunktbehörden zusätzlich mit Personal verstärkt, ein neues mobiles Einsatzkommando (MEK) wurde geschaffen. Von den neu einstellten Beamten zieht also nur ein kleinerer Teil in die Polzeibehörden abseits der Großstädte.
Müssen wir uns mit diesem Mangel und entsprechendem Mangel an Sicherheit langfristig abfinden?
Makiolla: 2019/20 hoffen wir, die Lücke schließen zu können.
Kann die Polizei mit dieser erhofften Aufstockung denn auch ausreichend auf neuartige Bedrohungslagen wie Terrorismus reagieren?
Michael Makiolla: Die Kreispolizeibehörde ist und bleibt für Straftaten in ihrem lokalen Bereich zuständig. Das ist das Kreisgebiet außer der Stadt Lünen, die zum Präsidium Dortmund gehört. Wäre aber z. B. der Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus Bus in Unna auf dem Verkehrsring passiert, wären die Dortmunder zuständig gewesen. Der Fall ging ja ohnehin schnell an den Generalbundesanwalt. In Selm bekamen wir es mit einem Reichsbürger zu tun – da wurde ein Sondereinsatzkommando eingesetzt (SEK), was aber nach wie vor eine Ausnahme ist.
Thomas Röwekamp: Unsere Fortbildungsprogramme sind klar vorgegeben. Wir haben eigene Fortbildungsstellen. Für SEK-Beamte gibt es eigene Fortbildungsmaßnahmen die konkret für den Einsatz bei Amokläufen und Terrorismus konzipiert sind. Streifenpolizisten sind aber auch auf solche Sznenarien vorbereitet, das müssen sie sein, weil sie ja die ersten Einsatzkräfte vor Ort sind. Es gibt jährliche Aus- und Fortbildungen, eigene Trainer.
Makiolla: Zusätzlich die Ausrüstung: neue Schutzwesten, Maschinenpistolen mit Reflexvisier inkl. entsprechende Fortbildungen. Notfalls ist das SEK in maximal einer Stunde präsent. Zur Überbrückung bis zum Eintreffen der Spezialkräfte ist die Polizei vor Ort entsprechend ausgebildet. Zur Not gäbe es natürlich Verstärkung z. B. aus Dortmund und dem Märkischen Kreis.
Was halten Sie von Bodycams – Kameras am Körper von Polizisten, die jetzt in einigen Großstädten in NRW testweise eingeführt werden?
Makiolla: Auf diesen Bodycams liegen hohe Erwartungen. Ob sie sie erfüllen, bleibt abzuwarten. Selbst in England, wo es großflächige Überwachungsmaßnahmen gibt, ist die Kriminalitätsrate durch die Kameras nicht maßgeblich gesunken. Engländer, die zu Besuch kommen, fragen immer irritiert, wo die Kameras sind. „Wie könnt ihr euch in dieser Stadt sicher fühlen?“, fragen die Engländer. Andersrum wird aber trotz der vielen Kameras in England häufig geraten, nach 23 Uhr besser bestimmte Ecken in größeren Städten zu meiden. Da stellt sich für mich die Frage, ob Kamerasysteme überhaupt das bringen, was man von ihnen erwartet.
Röwekamp: Die Bodycams in NRW wurden testweise zum Schutz der Kollegen eingeführt. Die Hemmschwelle, Beamte tätlich anzugreifen, ist deutlich gesunken, immer öfter werden Polizisten beleidigt, angepöbelt und, ja, auch körperlich angegangen. Stichwort: Respektlosigkeit! Hier könnten die Bodycams den Beamten an sich schützen.
Makiolla (ergänzend): Im gesamten öffentlichen Dienst sind dieser schwindende Respekt und wachsende Gewaltbereitschaft zu beobachten. Das erleben sogar Beschäftigte im Radarwagen: Autofahrer, die gerade geblitzt wurden, drehen um und greifen den Verkehrspolizisten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung an – wegen eines simplen Knöllchens.
(Das Gespräch führten Frank Kuhlmann und Thomas Karczewski. In Druckfassung finden Sie es im Rundblick Unna-Printmagazin, Ausgabe Mai 2017.)
Helmut Brune
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Meines Erachtens hilft es nichts, dieses Thema jetzt, im Zuge des Wahlkampfes, auf zu greifen. Was hilft es, wenn die Polizei Kriminelle aufgreift und sie nach Aufnahme der polizeilichen Massnahmen wieder auf freien Fuss setzen muss. Der Polizei sind hier durch veralterte Gesetze die Hànde gebunden. Hier muss der Gesetzgeber seine Tràgheit ùberwinden und unverzùglich handeln. Dieses Thema jetzt im Wahlkampf fùr die SPD zu nutzen, finde ich Jàmmerlich.
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Redaktion Rundblick-Unna.de
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Das Thema Sicherheit hat freilich nicht allein die SPD für sich entdeckt, lieber HB, darauf sind die anderen Parteien ebenfalls gekommen. 😉
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Dagobert
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Ich sehe eine Entwicklung in den Betrachtungen von Herrn Makiolla:
http://rundblick-unna.de/makiolla-bei-treffen-mit-cdu-oberstadt-unna-ist-sicher-wachsender-vandalismus-subjektiv-empfunden/
2016 bekamen wir noch voller Inbrunst ein :“Unna ist sicher !“
2017 sind wir schon bei „Pauschal mit Ja oder Nein zu beantworten ist diese Frage nicht.“
2018 gibt es dann ein :“ Wir arbeiten daran, dass Unna demnächst wieder sicher wird.“
Beträgt die zeitverzögerte Erkennung der Realität durch die geschönte Polizeistatistik eigentlich ein oder zwei Jahre ?
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M.B.
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Welche Parteien wechseln sich gleich seit Jahrzehnten in der Regierung ab oder machen gar gemeinsame Koalitionen?
Aha.
Und schon haben wir die Verursacher der Misere vor uns.
Und für die Politik ist doch alles gut, läßt sich doch mit den gepämperten Polizeistatistiken belegen.
Und wer ist für die verantwortlich?
Ach ja, das könnte die Polizei sein…
Ein paar Beamte könnten die sofort freigespielt haben, wenn sie die Gängelung der legalen Waffenbesitzer wieder auf das Ursprungsmaß herunterschrauben.
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Florian
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Ja immer wieder diese Beschwichtigungen. Die SPD sagt, wir wollen keinen Verteilerschlüssel für den ländlichen Raum. Die CDU sagt, doch das wäre für mehr Polizisten nötig, diesen einzuführen. Aber welche Partei hat damals fast 800 Polizeistellen in 5 Jahren in NRW abgebaut?!?! Genau, diese beiden, die uns jetzt wieder regieren werden für 5 Jahre mindestens. Aber es soll ja alles besser werden. Und es wird immer schwieriger, ausreichend gute junge Polizisten zu bekommen, da sich junge Laute auch gerne umentscheiden. Der Personalmangel ist seit Jahren bekannt, aber gegengesteuert wird fast garnicht spürbar. Es ist auch die Frage, wie soll das alles finanziert werden.
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flo
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Ich bin mal gespannt, ob Schwarz Gelb wirklich jedes Jahr 2300 Polizisten ausbilden lässt. Die FDP war nur für 1800. Aber die größte Frage ist., ob der ländliche Raum endlich mal einen Stellenschlüssel bekommt. SPD war dagegen. Aber ob die CDU wirklich eine alternative ist, so sehr bin ich nicht überzeugt.
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