Fast 7 Jahre missbraucht – bis heute kein Cent Entschädigung. Ein Opfer erzählt.
Kurz nach ihrer Einschulung wurde die kleine Saskia das erste Mal sexuell missbraucht; vom Lebensgefährten ihrer Mutter, dem Martin, den sie gern hatte und dem sie vertraute. Diesem ersten Missbrauch an der 7Jährigen folgte ein fast siebenjähriges Martyrium. Bis heute kämpft Saskia Grabowski, inzwischen eine junge Frau, vergeblich um Entschädigung, findet keinen Job, bekommt keine Therapie. Der Mann, der ihr dies antat, wird im April 2017 nach 12 Jahren Haft auf freien Fuß kommen.
Saskia Grabowski schrieb unsere Redaktion an und fragte, ob sie ihre Geschichte hier erzählen dürfe. Wir bewundern ihren Mut und danken ihr herzlich dafür. Hier ihre ungekürzte Schilderung.
Saskia Grabowski ist heute 24 Jahre alt und lebt in Iserlohn.
„Ich wurde 1991 in Iserlohn geboren. Meine Mutter und mein Vater lebten zusammen. Mein leiblicher Vater war Alkoholiker und hat mich und meine Mutter durch die Wohnung geschlagen. Meine Mutter verließ ihn mit mir 1993 in einer Nacht- und Nebel-Aktion.
Wir kamen bei einer Freundin unter und meine Mutter lernte Martin kennen. 1994 zogen wir drei zusammen in Letmathe in eine Wohnung.
Anfangs mochte ich Martin, weil er so anders als mein Papa war.
Seine Eltern waren Immobilienmakler und gaben uns ein Haus in Vinnen, Niedersachsen. 1995 zogen wir also in das Haus und alles war in Ordnung. 1998 wurde ich eingeschult. Meine Mutter hatte einen Job, so dass sie von mittags bis abends nie da war.
Ca. zwei Wochen nach meiner Einschulung begann der erste Übergriff. Er bat mich, sich zu ihm zu legen… Er war nackt. Ich dachte mir nichts dabei. Ich war 7 Jahre alt.
Er machte einen Film an, in dem ein kleiner dicker Afrikaner Frauen befriedigt, und erklärte mir wie ich es ihm machen soll…
Es wurde von Mal zu Mal schlimmer. Er tat es immer, wenn Mama weg war, und aus dem anfänglichen Oralverkehr wurde schlimmster Analverkehr.
Meine Mutter wurde 2000 dialysepflichtig. Dazu kam Krebs. Sie trennte sich von Martin und wir zogen nach Löningen. Sie hatten getrennte Wohnungen, doch da Mama nichts wusste, bat sie ihn, nach mir zu sehen, wenn sie im Krankenhaus war.
Er drohte mir immer wieder, meine Mutter zu töten, wenn ich etwas sage… Zitat: „Und dann musst du für immer bei mir leben.“
Also hielt ich brav meinen Mund. 6 Jahre und 8 Monate lang.
Er tat es jeden Tag vor der Schule. Mama wurde um 6 Uhr zur Dialyse abgeholt und um 6.30 kam er… Ich fing an zu schwänzen, wurde von der Einser- zur Fünferschülerin. Musste von der Real- auf die Hauptschule.
Am 06. 04. 2005 traf ich ihn vor dem Supermarkt. Er sagte, er habe morgen Geburtstag und er wolle mich dann entjungfern, da ich nun alt genug sei… Ich wollte das nicht. Also ging ich in den Laden und beging einen Diebstahl. Meine Mama sagte immer, wenn ich klaue oder lüge, gibt es Hausarrest... Also war mein Plan: Dann muss ich nicht alleine zu ihm.
Ich wurde wie gewollt erwischt und der Marktleiter rief die Polizei… Ich zitterte, weinte und hatte Nasenbluten… Die Polizistin, die dabei war, spürte sofort, dass dies nicht von dem Diebstahl kommen konnte. Also fragte ich sie, was ich machen kann, wenn ich zu Hause angefasst werde…
Alles ging ratzfatz… Die Kriminalpolizei kam, ich erzählte alles… Meine Mutter wurde befragt und konnte nicht fassen, was sie hören musste.
Sie nahmen ihn noch am gleichen Tag fest. Er wurde zu 12 Jahren verurteilt und kommt im April 2017 frei.
Mir wurden 40.000 € Schmerzensgeld zugesprochen. Bis heute habe ich keinen Cent.
Seit 2007 läuft mein Opfer-Entschädigungs-Antrag. Im August habe ich nun einen Gutachtertermin. Um zu schauen, ob ich wirklich psychische wie seelische Schäden habe. 11 Jahre danach! Nochmal alles erzählen und mich hinzustellen, als würde ich mir meine Probleme ausdenken?!
Ich habe nur einen Hauptschulabschluss machen können, bekomme keine Ausbildung! Das Arbeitsamt sagt, sie können und wollen mich nicht vermitteln. Weil ich mit Druck nicht umgehen kann.
Ich bin 24 und arbeitsunfähig, obwohl ich eine Ausbildung im Büro machen will. Ich bekomme nur Absagen aufgrund meines Abschlusses.
Obwohl ich ihn mit Einsen und Zweien gemacht habe.
Ich bekomme keine Traumatherapie, weil meine Krankenkasse das nicht zahlen will. Ich habe bis heute von keiner Institution auch nur einen Cent bekommen.
Das Gericht, das zuständig ist und wo ich den Täter pfänden lassen will, schickt mir ein Schreiben und fragt – Zitat: „Was erhoffen Sie sich davon und wieso wollen sie ihren Titel wirksam machen?“…
Das ist ein Schlag ins Gesicht.
Meine Mutter ist 2014 an den Folgen ihrer Krankheit gestorben. Seitdem kämpfe ich komplett alleine, um wieder ins Leben zu finden.
Kein Geld der Welt macht jemals etwas vergessen. Aber ein normales Leben mit Ausbildung und alltag; das wünsche ich mir.
Ich möchte einfach normal leben können. Ich will das Geld nicht haben, weil ich sage, dann bin ich reich… nein; ich will dass er für seine Taten zahlt.
An jedem einzelnen Schein klebt mein Schicksal.
Ich kann nur sagen; auf mich zeigen ehemalige „Freunde“ mit dem Finger. Und ich kämpfe weiter.
Ich werde so lange kämpfen, bis ich erreicht habe, was nur geht.
Es kann einfach nicht sein, dass ich als Opfer von einem Termin zum nächsten muss; kämpfen muss; Fragen beantworten und 11 Jahre warten muss… und am Ende allein da stehe.
Ich bekomme keine Geheimadresse, ich bekomme keinen Schutz, ich bekomme nichts. Zitat: „So lange nichts passiert, können wir nichts tun.“
Schäm dich Deutschland!
Ein Täter, der ein Mädchen fast 7 Jahre vergewaltigt, kann rauskommen und weiter machen. Das Opfer muss ein Leben LANG kämpfen für ein kleines Stück Gerechtigkeit.
Ich gehe nicht an die Öffentlichkeit, weil ich geil drauf bin; ich gehe diesen Weg, damit mal alle sehen, wie man behandelt wird! Es muss sich dringend etwas ändern!
Dieser Umgang mit Opfern ist einer der Gründe, warum Mädchen wie ich sich niemandem anvertrauen. Die Dunkelziffer ist so hoch…
Mein Appell? Niemals aufgeben; kämpfen egal wie schwer und allein man ist! Zähne zeigen und sich nicht Schämen! Einzig alleine der Täter muss sich Schämen aber nie nie niemals das Opfer!
Grüße Saskia Grabowski
(Fotorechte: Polizei)
Reaktionen aus unserer Facebook-Community
So etwas macht mich traurig und wütend.?
Ich wünsche Saskia auch weiterhin viiiiiel Kraft, weiter zu kämpfen……….
Danke auch für die Idee bezüglich einem Konto; aber das möchte ich nicht.
Besonderer Dank auch an Frau Rinke und den Rundblick!
Vielleicht tut sich nun mal endlich was; schade dass man diesen Weg gehen „muss“ um seine Rechte zu bekommen und Institutionen zu erreichen.
fürst
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Bravo, „Mädchen“, Kopf hoch, Zähne zeigen! Es gibt für Dich keinen Grund zur Scham.
(Der Lump weiß wahrscheinlich nicht einmal, was Scham ist.)
Und ran an die erbärmlichen Behörden: Strafanzeigen, Deinstaufsichtsbeschwerden, ganz einfach das volle Programm. Formlos selbst schreiben, ohne Anwalt, denn die würden sich auch nur noch an Dir bereichern wollen (von seltenen Ausnahmen abgesehen).
Viel, viel Glück auf dem weiteren Weg und die besten Wünsche. Alles wird gut!
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Helmut Brune
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Allererst meinen tiefen Respekt für deinen Mut, dieses an die Öffentlichkeit zu bringen. Auf das Geld, was dir zugesprochen wurde, hast du einfach ein Recht und es muß dir zukommen. Vor Allem aber wünsche ich dir, daß es irgendwann jemanden geben wird, der voll an deiner Seite steht und der mit Liebe und Gefühl dafür sorgt, daß die grausame Vergangenheit ein wenig in den Hintergrund gelangt. Vergessen wird man sowas wohl nicht können. Ganz viel Kraft und viel Erfolg bei deinem Kampf für Gerechtigkeit.
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